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gewissen und genuss

  
Indien
23. April 2003

gewissen und genuss

6580 km, candolim (INDIEN)

in den sogenannten entwicklungslaendern werden einrichtungen fuer die oberschicht des landes fuer das pedalglobal team - zumindest hin und wieder - erschwinglich. meist nach westlichem standard ausgestattet bedeuten diese orte fuer mich erholung und genuss. es sind konstanten des bekannten und guten im trubel des neuen und unbekannten. sie verdeutlichen aber auch im besonderen die tiefe kluft zwischen bitterarm und steinreich auf engstem raum. und fuehren daher in meinem inneren zu einem kampf der gegensaetze und widersprueche - gewissen und genuss.

eine beschreibung drei solcher orte.

'nile city' (kairo, aegypten)

in der nacht am auffallendsten. da leuchtet 'nile city' bunt und knallig in die nacht und spiegelt sich im nilwasser wider. das fix-verankerte, unfahrbare schiff liegt gegenueber der 5-sterne-hotels - des 'ramses hotel' und des 'nile hilton'. und beherbergt vom café bis zum mexikaner acht verschiedene lokalitaeten. ob der schoenen aussicht auf den nil und der exzellenten kueche lernen wir nur den italiener kennen - 'johnny carinos'. die salate, die pizzen und die 'italian nachos' sind wirklich koestlich.

die preise nach europaeischen massstaeben gemessen billig, nach oertlichem niveau aber horrend. so kostet ein grosser salat so viel wie unser doppelzimmer (im zugegebenermassen bescheidenen hotel) - 4 euro. um diesen preis bekommt in kairo 20 felafel-burger oder 10 teller koshari (nudel-reis-gericht). fuer einen salat bei 'carinos' koennen bine und ich uns also einen ganzen tag sehr gut ernaehren, oder einmal naechtigen.



auf der 'nile city' tummeln sich viele einheimische teenager herum. burschen gekleidet im westlichen stil, maedchen unverschleiert und koerperbetont, kann man bei ihrem ausgelassenen verhalten schnell vergessen, in einem islamisch gepraegten land zu sein. als bine und ich naemlich zu silvester zusammen am nil stehen - direkt gegenueber der 'nile city' - entwickelt sich nur aufgrund der praesenz einer sittsam gekleideten bine eine aufgeheizte, leicht aggressive stimmung. als ueber 20 junge maenner sich hinter uns dicht an dicht zusammenrotten, machen wir uns lieber schnell aus dem staub.

trotz allem - zusammen mit bines eltern, brigitte und alfred, mit dem deutschen radler joerg, meinem brueder kryzzo und alleine geniessen wir des oefteren die vorzuegliche kueche des 'johnny carinos' auf der 'nile city'.



'blue nile sailing club' (khartoum, sudan)

die mischung der leute im segelklub direkt am blauen nil ist sehr ungewoehnlich und gegensaetzlich. da gibt es zum einen die eigentlichen klubmitglieder, die einen teil ihrer freizeit hier mit segeln, sich-treffen, feiern oder erholung verbringen. allesamt ranghohe sudanesische politiker, beamte, wirtschaftler und auslaendische diplomaten. zum anderen wird das gelaende fuer die wenigen touristen des landes als camp vermietet. wir treffen durchwegs nur richtige afrika-traveller, die per truck, jeep, auto, motorrad oder fahrrad den kontinent von nord nach sued oder umgekehrt durchqueren.

so parken verstaubte, arg mitgenommene, britische overland-trucks neben glaenzenden mercedes limousinen; eine alte hollaendische citroen ente neben einem frischgewaschenen BMW; oder ein 4 WD jeep mit zelt auf dem dach neben einem fabriksneuen seat. so feiern traditionell in weisse tuecher gehuellte sudanesen bei frisch gegrilltem lamm, waehrend reisende ihre verstaubten und verschwitzten kleider waschen. so sitzen klubmitglieder mit blick auf den nil bei kaffee oder tee im schatten, umringt von kuppel- und tunnelzelten, motor- und fahrraedern und allerlei gepaeck.

eine normale mitgliesschaft im 'blue nile sailing club' kostet knapp 800 euro pro jahr und nase. dafuer bekommt man zutritt zu einem bewachten, ruhigen, schattigen arreal, segelschiff-hafen in britischer kolonial-atmosphaere. und gesellschaft einer reichen und einflussreichen klientel.

als campergast zahlt man je nach transportmittel zwischen drei und zehn dollar. inklusive gemuetlicher und ruhiger atmosphaere mitten im regierungs- und bankenzentrum der hauptstadt des sudans.

das trinken von alkohol wird hier - zumindest bei reisenden - toleriert. ist man doch eigentlich in einem streng islamischen land in dem die sharia gilt. auch die kleidungsvorschriften bei frauen sind im klub locker, obwohl wir ausserhalb oft komplett verschleierte frauen sehen. die gespraechsthemen mit den sudanesen im klub scheinen nur ums reisen, autos, segeln oder komputer zu handeln. das ist natuerlich selbstverstaendlich und legitim, aber das in einem land, das periodisch von hungersnoeten heimgesucht wird, ist fuer mich halt gewoehnungsbeduerftig.



'café mondegar' (mumbai, indien)

endlich spielt die jukebox unsere lieder. zuerst 'sympathy for the devil' der rolling stones, und dann 'when i come around' von green day. in ansprechender lautstaerke und bei einem kuehlen 'kingfisher'-bier geniesse ich die musik.

viele leute, zigarettenqualm, eine leinwand mit live-spielen des gerade ausgetragenen cricket-weltcups aus suedafrika, lockere stimmung erzeugen fuer mich im café mondegar eine atmospaehre, in der ich mich sehr wohl fuehle. und anscheinend auch sehr vermisst habe. indien als erster nicht islamischer staat, nach vielen monaten im mittleren osten und nordafrika, spielt auch eine rolle. so sitzen bine und ich dort stundenlang zusammen und plaudern. lassen die bisherige reise revue passieren und denken laut an zuhause. bine - da auf antibiotika - bei sprite und pommes, und ich bei kuehlen 'castle-lager'-bieren. es tut einfach gut.

ein grosses bier (650 ml) kostet 120 rupien (knapp 2,5 euro). dafuer sind selbst im innenstadtlokal 'café mondegar' zwei haupspeisen zu kriegen, in billiglokalen kann man dafuer so um die sechs gerichte bestellen. ein inder, den wir tagsueber treffen, berichtet ueber seinen verdienst bei einem seiner jobs. da in mumbai ein ueberangebot an arbeitskraeften vorhanden ist, hat er fuer 20 stunden arbeit am stueck nur 50 rupien (1 euro) kassiert. das wuerde also 50 stunden arbeit fuer eine flasche bier im 'café mondegar' bedeuten.

wenn bine und ich dann nachts zu unserem hotel schlendern, tun wir das auf der strasse. entlang der gehsteige haben sich naemlich zahlreiche menschen zur nachtruhe gelegt.
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