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Argentinien - Ende der Reise

  
Argentinien
9. Juni 2014

Argentinien - Ende der Reise

12518 km, Buenos Aires

Paso Sico - San Antonio de los Cobres - Salta


Der Sturm bläst wie verrückt als wir am Paso Sico die Grenze von Chile nach Argentinien überqueren. Dort ist allerdings "nada", wir müssen noch 11 Kilometer radeln, ehe wir den argentinischen Einreiseposten erreichen. Mit einem Orkan im Rücken ein leichtes und schnelles Unterfangen.

Wir sind zugegebener Massen ein bisschen nervös. Vor 8 Tagen haben wir uns unseren Ausreisestempel in San Pedro de Atacama geholt. Und wir wissen nicht,ob das die Argentinier eventuell stören könnte. Eine Zurückweisung hier im Nichts, wo wir seit Tagen ausser einem chilenischen Polizeiauto niemanden gesehen haben, würde uns - nur rund 12 Tage vor unserem Rückflug in Buenos Aires (!) - in arge Schwierigkeiten bringen.

Der Grenzübertritt

Am Grenzgebäude müssen wir anklopfen. Und erst dann öffnet ein Beamter die Türen. Hier ist wirklich nicht viel los. Innerhalb dem modernen Gebäude ist es erstmals seit langem wieder einmal windstill. Es dauert einige Zeit, bis das zuständige Personal von der Immigración und dem Zoll erscheint, aber es erweisen sich alle Sorgen zum Glück als unbegründet. Das Gepäck wird halbherzig durchsucht, und unsere Pässe scheinen kein Zopfzerbrechen zu verursachen. So trauen wir uns, das nächste Anliegen auszusprechen. Bei diesem Sturm geht´s für uns nicht weiter, da wir nirgends in dieser Wüstenpampa unser Zelt aufstellen können. Wir bitten daher, unser Zelt im Windschatten eines Gebäudes aufstellen zu dürfen. Daraufhin werden wir zu einem Gebäude geführt, das über mehrere Betten und sogar einem Gasherd verfügt. Unser Nächtigungsplatz! Wir bedanken uns überschwänglich, denn das hätte ich mir nie und nimmer gedacht. Etwas später erscheint sogar ein Grenzbeamter - und bringt uns heissen Kaffee mit Keksen! Unglaublich, so etwas habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt. Willkommen in Argentinien!

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Wir durften in einem Raum mit Betten und Küche übernachten -  Immigración Argentina! (Salta, Argentinien, Mai 2014)
Wir durften in einem Raum mit Betten und Küche übernachten - Immigración Argentina! (Salta, Argentinien, Mai 2014)


Der Raum ist zwar eine "Rumpelkammer" ohne Licht, für uns allerdings ein Paradies. Wir kochen unser Zeug und ziehen uns warm an. Erholen uns von den Strapazen. Und schlafen in Betten. Morgens zeigt das Thermometer aber auch nur plus 4 Grad in unserem Schlafraum an. Aber wir haben vor allem psychisch wieder Kraft getankt. Nach all den aufreibenden Tagen in Chile!

Wieder hat es in der Nacht geschneit. Wieder ist es bitterkalt. Aber die Sonne scheint. Und der Wind noch schwach. Die verzogenen Wolken am Himmel zeigen mir aber, dass das schlechte Wetter noch nicht überstanden ist.

Nach einem guten Frühstück (wieder kommt unser lieber Grenzbeamter mit heissem Wasser und Brot!) sind wir guter Dinge. Der Grenzübertritt ist geschafft. Das Wetter passt. Wir können weiter gen Osten radeln, gen Salta. Dem radlerischen Endpunkt unserer Reise. Wir haben allerdings so einen Respekt vor der Natur bekommen, dass wir auch zufrieden wären, heute nur Catua zu erreichen. Dies liegt nur 20 Kilometer von hier entfernt.

Auf zum Endziel

Aber wir kommen auf der verschneiten Piste gut voran. Die Sonne scheint und unser Optimismus steigt. Catua lassen wir links liegen und radeln weiter. Erstmals macht das Radeln wieder uneingeschränkt Spass. Geht es anfangs noch eben entlang, beginnt die Strasse nach rund 15 Kilometern langsam zu steigen. Erst weitere 25 Kilometer später erreichen wir einen Pass auf dem wir Mittagspause halten.

Nun begegnen wir hin und wieder einem Fahrzeug. Die absolute Einsamkeit scheint vorüber. Und das Wissen, im Notfall per Fahrzeug nach Salta (und damit unseren Rückflug Anfang Juni aus Buenos Aires) zu erreichen, beruhigt. Der Ort Cauchari ist seit der Grenze auf allen Schildern angeschrieben. Das ändert allerdings nichts an dem Umstand, daß es sich um einen Geisterort handelt. Zwei der paar Hausruinen der ehemaligen Siedlung nützt das pedalglobal-Team für das windgeschützte "grosse Geschäft"...

Danach ist die Piste sehr schlecht. Das Wellblech deckt die komplette Strassenbreite ab. Ansonsten ist es extrem sandig. Nach 10 Kilometern erreichen wir zufrieden Olacapto - in der Früh habe ich nicht zu hoffen gewagt, so weit zu kommen. Dieser Ort bedeutet auch unseren erstern echten "Kontakt" mit Argentinien. Das einzige Quartier der Ansiedlung scheint uns sehr teuer. So fragen wir bei der örtlichen Schule nach, im Hof unser Zelt aufstellen zu dürfen. Aber die verantwortlichen Leute sind nicht auffindbar. Nach einer Stunde Warterei entscheiden wir uns für das Hostal. Es ist eigentlich sehr gemütlich dort, verfügt sogar über eine mobile Elektroheizung. Wir kochen zufrieden Nudeln und Sauce.

Der Morgen ist saukalt. Alle Bäche sind tief gefroren. Die Hoffnung auf Wetterbesserung ist nicht eingetreten. Es zieht wieder komplett zu. Der Wind ist bitterkalt. Bine hat die Schnauze voll und nimmt einen Pickup nach San Antonio. Unserem heutigen geplanten Ziel. Ich radle weiter.

Die Strasse geht permanent hinauf. Es fängt zu schneien an. Der Wind wird immer stärker. Alles ist tiefgefroren. Im Hochland treffe ich immer wieder auf alte Bahngeleise. Sie gehören zur berühmten Bahnstrecke "Tren de las Nubes", die im unteren Teil noch hin und wieder touristischerweise befahren wird. Nach 34 Kilometern erreiche ich ein letztes Mal eine Höhe von 4.600 Metern. Dort treffe ich auf einen Briten, der in die andere Richtung unterwegs ist. Mit tut er leid, der Bursche. Wird er doch mit permanentem Gegenwind zu kämpfen haben. Ich warne ihn eindringlich, nur bei gutem Wetter nach Chile rüberzuradeln. Alles andere wäre zu gefährlich, vor allem alleine.

Argentinien Argentinien
Alto Chorillo (Salta, Argentinien, Mai 2014)
Alto Chorillo (Salta, Argentinien, Mai 2014)


Dann geht´s an eine eisige Abfahrt. Sogar in Serpentinen geführt, die öfter gegen den eiskalten Sturm führen. Scheinbar endlos rolle ich über die Piste hinunter. Ich friere elendiglich! Meine Hände schmerzen vor Kälte.

Erst weiter unten normalisiert sich die Situation. Mir wird etwas wärmer. Spätnachmittagas erreiche ich San Antonio de los Cobres, in dem sich auch einige Gringos herumtreiben. Eine von diesen ist Bine! Es ist der erste grössere Ort, noch dazu touristisch. Verfügt also über einige Annehmlichkeiten. Die Zivilisation haben wir nun endgültig erreicht.

Weitere 25 Kilometer trennen uns noch vom Asfalt, den wir nun seit vielen hundert Kilometern nicht mehr hatten. Aber eh klar, es geht bis dahin ständig bergauf. Und die Piste ist des öfteren sehr übel. Als wir nach knapp 30 Kilometer endlich den Abra Blanca auf 4.100 Metern erreichen, haben wir nur rund 300 Höhenmeter "gemacht". Wie deprimierend. Aber nun geht die gewaltige Abfahrt runter nach Salta los, das nur mehr auf 1.100 Metern liegt. Und das auf bestem Asfalt.

Nach wie vor ist es sehr kalt. Die Landschaft ändert sich schnell. Kakteen tauchen auf, zu hunderten. Es wird wieder trockener. Tolle Schluchten und grosse Felsen. Es macht Spass.

Da wir unsere allerletzte Zeltnacht vor uns haben, halten wir schon spätnachmittags an, um diesen Umstand zu "zelebrieren". Nun passt sogar das Wetter wieder. Blauer Himmel, wärmer. Und eine sternenklare Nacht! Mir fällt der Abschied von dieser Art von Leben nicht leicht.

 Das Ende

Am letzten Tag geht`s weiter hinunter nach Salta. Überraschenderweise verlaufen 25 Kilometer davon nochmals auf Schotter, da die enge Schlucht Quebrada del Toro nur mit grossem Aufwand mit einer normalen Strassen versehen werden kann (diese ist aber momentan in Bau). Dann wird`s sogar richtig grün. Weiden, Wiesen, Bäume, Bäche. Europäisch anmutende Villen der reichen Bewohner aus Salta. Orangen! Das alles geht nun sogar mit dem Rad zu schnell.

Wir sind nicht mehr zu stoppen. Schon nachmittags erreichen wir Salta.

Packen der Räder. 20 Stunden mit dem Bus nach Buenos Aires. Mit Turkish Airlines über Istanbul nach Wien. Das alles steht uns nun bevor. Am ersten Abend in Salta aber, da wollen wir uns einfach nur gemütlich zusammensetzen. Ein wenig die Reise Revue passieren lassen. Auch um das Essentielle dieser Reise zu spüren.

Es klingt trivial, ist es aber nicht: wir sind gesund und unversehrt! Vor ein paar Wochen habe ich erfahren müssen, dass in Bolivien - nicht weit von unserer Route entfernt - eine Radlerin von einem Jeepfahrer getötet wurde. Sie war zusammen mit ihrem Mann seit Jahren auf Fahrradweltreise unterwegs. Eine Tragödie.

Es klingt trivial, ist es aber nicht: wir wurden regelrecht von Menschlichkeit und Gastfreundschaft getragen. Ohne all diesen netten, tausenden Menschen, mit denen wir Kontakt hatten, würden wir eine Reise - egal wo - nicht überstehen. Das ist uns vollkommen klar. Die Welt ist so gut. Und so viele Menschen, die ich kenne, meinen sie sei schlecht.

Es klingt trivial, ist es aber nicht: in den abgelegenen, schwierigen Strecken stecken die wahren Abenteuer, die für unser Leben immer in Erinnerung bleiben werden. Schnell und leicht dahinradeln, bedeutet meist: das Erlebte schnell und leicht zu vergessen. In der Langsamkeit und in der Anstrengung finden wir beide unser Leben.

Es klingt für viele Leute trivial, ist es aber nicht: nach knapp 13.000 geradelten Kilometern - und 150.000 Höhenmetern! - durch Lateinamerika beenden wir unsere dritte grosse Radltour. Und beginnen wieder Mal ein neues, ungewisses Leben.


FIN


Argentinien Argentinien
Bine&Uli nehmen am letzten Pass der Tour Abschied von den Anden - Abra Blanca (Salta, Argentinien, Mai 2014)
Bine&Uli nehmen am letzten Pass der Tour Abschied von den Anden - Abra Blanca (Salta, Argentinien, Mai 2014)


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